Freitag, 29. April 2011
EU fürchtet Zusammenbruch der Kreditmärkte
Trotz diverser Banken-Rettungspakete kommt der Interbankenmarkt in Europa offenbar nicht richtig in Schwung. Im Gegenteil: EU-Wirtschaftskommissar Joaquín Almunia sieht sogar eine Verschärfung der Kreditklemme für Unternehmen und fürchtet, Europa könnte noch tiefer in die Krise rutschen.


HB BRÜSSEL. EU-Wirtschaftskommissar Joaquín Almunia hat vor einem vollständigen Zusammenbruch der angeschlagenen Kreditmärkte gewarnt. "Die Verfügbarkeit von Krediten hat sich seit Oktober 2008 klar verringert. Die Märkte für Unternehmenskredite funktioniert nicht vernünftig oder produzieren abnorm hohe Preise", sagte Almunia am Dienstag laut einem vorab verbreitetem Redemanuskript auf einer Konferenz in Brüssel. "Ein Zusammenbruch des Kreditkanals könnte den gegenwärtigen Abschwung vertiefen."

Die im Herbst in 17 der 27 EU-Staaten geschnürten Banken-Rettungspakete hätten zwar das Ziel erreicht, die Finanzmärkte zu stabilisieren, erklärte der Wirtschaftskommissar. Auch das Interbanken-Geschäft - also die Kreditvergabe der Banken untereinander - habe sich verbessert. Die Kreditvergabe an die Unternehmen sei aber unzureichend. Die Kommission werde im März einen Bericht über die Effektivität der einzelnen Rettungspakete vorlegen, kündigte Almunia an.

Bezüglich der Debatte über die Auslagerung toxischer Wertpapiere in eine sogenannte "Bad Bank" warnte der Wirtschaftskommissar vor überstürzten Entscheidungen. Ehe einzelne EU-Staaten ihren Kreditinstituten hochriskante Wertpapiere abkauften, sollten europaweite Leitlinien für den Umgang mit solchen Risiken aufgestellt werden, forderte Almunia. "Wir sollten zunächst auf EU-Ebene unsere Ansichten koordinieren, zum Beispiel darüber, um welche toxischen Papiere es geht und wie sie bewertet werden sollten."

Die britische Regierung hatte in der vergangenen Woche erklärt, sie sei bereit, ihren Banken einen Teil ihrer toxischen Wertpapiere abzukaufen. Schweden hatte während einer nationalen Finanzmarktkrise Anfang der 90er Jahre eine "Bad Bank" eingerichtet.


Quelle: Handelsblatt.com



Euro - Renminbi Yuan - Kurs 29.04.2011
9,6505 CNY



Dollarkurs (Euro - Dollar) - Kurs 29.04.2011
1,4867 USD



Eurokurs (Dollar - Euro) - Kurs 29.04.2011
0,6726 EUR



'Börse Online'-Interview mit Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen: "Ein Politiker, der seinen Haushalt nicht in Ordnung bekommt, ist fehl am Platze"
Frankfurt (ots) - Kritik an weltweiter Staatsverschuldung / EU-Stabilitätspakt trotz Verschärfung nicht ausreichend / Klare Sanktionen gefordert: "Wer seine Ausgaben auf Dauer nicht in den Griff bekommt, hat in der Euro-Zone nichts zu suchen"

Der Professor für Finanzwissenschaft und Direktor des Forschungszentrums Generationenverträge in Freiburg, Bernd Raffelhüschen, holt zu einem Rundumschlag gegen die internationale Finanzpolitik aus. "Außer in Norwegen und der Schweiz haben es die Politiker selbst in Zeiten höchster Steuereinnahmen in keinem Land geschafft, keine weiteren Schulden zu machen", kritisierte Raffelhüschen im Interview mit dem Anlegermagazin 'Börse Online' (Ausgabe 18/2011, EVT 28. April). "Solange die Ausgaben nicht den Einnahmen angepasst werden, wird es zu Staatsschuldenkrisen kommen." Eine stärker koordinierte Wirtschaftspolitik zur Entschärfung der Krise in Euroland ist seiner Meinung nach nicht zielführend. "Wir brauchen keine koordinierte Wirtschaftspolitik, wir brauchen Politiker, die mit dem Geld auskommen, das sie einnehmen", urteilte er. "Ein Politiker, der seinen Haushalt nicht in Ordnung bekommt, ist fehl am Platze."

Die von den EU-Staats- und Regierungschefs beschlossene Verschärfung des Stabilitätspaktes wird die Probleme Raffelhüschen zufolge ebenfalls nicht lösen können. "Die einzige Möglichkeit, die man wirklich hat, ist zu sagen, dass Länder, die es innerhalb einer gewissen Frist nicht schaffen, ihre Ausgaben den Einnahmen anzupassen, Euroland verlassen müssen", forderte er im 'Börse Online'-Interview. "Die Sanktionen müssen klar sein - wer seine Ausgaben auf Dauer nicht in den Griff bekommt, hat in der Euro-Zone nichts zu suchen." Die Deutschen sollten dabei allerdings nicht die Oberlehrer Europas spielen, da Bundesländer wie Bremen oder das Saarland innerhalb Deutschlands ähnliche Probleme hätten wie Griechenland oder Portugal auf EU-Ebene.