Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Zentralbank reagiert trotz Schuldenkrise in Portugal Zinswende gut für ganz Europa MARTIN KRAUSE
Bielefeld (ots) - Wochenlang wurde gerätselt. Würde die Europäische Zentralbank (EZB) es wagen, die Konjunktur in den zum Sparen verdammten Schuldenländern der Euro-Zone durch eine Zinserhöhung zu gefährden? Zentralbankchef Jean-Claude Trichet gab gestern die Antwort. Sein Mut macht Mut. Die Zentralbank lässt sich von der schwierigen Lage in Portugal, Irland und Griechenland nicht die Geldpolitik diktieren. Die auf 2,6 Prozent angestiegene Teuerungsrate war ausschlaggebend für die erste moderate Zinserhöhung seit Mai 2009, als der Leitzins im Kampf gegen die globale Finanzkrise auf 1,0 Prozent gefallen war. Jetzt gilt die Geldschwemme wieder als das größere Risiko, zumal die Konjunktur in wichtigen Ländern - vorneweg Deutschland - ordentlich läuft. Damit entkoppelt sich Europa weiter von der unveränderten (Fast-)Nullzinspolitik in den USA und zeigt Robustheit. Die EZB widersteht den unterschwelligen Begehrlichkeiten, die in allen Ländern mehr oder weniger drückende Schuldenlast durch ein bisschen Inflation zu mildern. Der Euro ist hart, das belegt der Dollarkurs eindrucksvoll, und das Signal lautet: Der Euro soll hart bleiben. Die Europäische Zentralbank nimmt ausdrücklich keine Rücksicht auf die Lage in Portugal, Irland und Griechenland, aber nicht von ungefähr dürfte die Entscheidung der Portugiesen, jetzt doch unter den europäischen Rettungsschirm zu flüchten, fast zeitgleich gefallen sein. Nicht die Zentralbank, wohl aber die europäischen Finanzpolitiker üben die nötige Solidarität. Ja, wir sind der Transferunion nähergekommen, aber das hat nichts mit Weichwährungspolitik zu tun. Geldpolitik und Finanzpolitik werden entkoppelt, so soll es sein. Importe bleiben dank der Stärke des Euros weiterhin günstig. Das dämpft vor allem den Preisauftrieb bei Öl und Gas, und das ist gut für die Konjunktur - in ganz Europa.