Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 19. April 2011 das finnische Wahlergebnis und dessen Auswirkungen auf den Euro-Rettungsschirm:
Bremen (ots) - Bloß keine Panik! von Joerg Helge Wagner
Nein, gut sind die Nachrichten nicht aus der Euro-Zone. Das überschuldete Griechenland kommt trotz der rabiaten Sparanstrengungen nicht wieder auf die Beine: Es ist ja auch so, als wolle man Muskelschwäche mit einer strengen Diät kurieren. Die anderen Patienten Irland und Portugal haben kaum mehr zuzusetzen; am meisten Wirtschaftskraft darf man trotz der Bankenkrise noch auf der grünen Insel vermuten. Doch jede Regierung, die in Dublin oder Lissabon mit dem Sparen richtig ernst machen will, riskiert ihren eigenen Sturz. Und jetzt regieren im stabilen Geberland Finnland auch noch erklärte Euroskeptiker mit! Da gibt der Euro prompt nach - auch gegenüber dem ebenfalls schwächelnden Dollar. Zum echten Desaster fehlt jetzt bloß noch eine richtige Panik - die genau deshalb unbedingt vermieden werden muss. Treten wir also einen Schritt zurück und schauen uns genau an, was es mit dem "euro-skeptischen Rechtsruck" in Finnland auf sich hat. Die Wahren Finnen des Populisten Timo Soini haben ein Fünftel der Stimmen errungen, doch dieser Erfolg war nicht überraschend. Alle Beobachter haben damit gerechnet. Das hat aber weniger mit Griechenland und Portugal zu tun, sondern viel mit den eingeebneten Unterschieden der drei bislang tonangebenden Parteien. Es scheint, als ob Soinis Wähler eher von der finnischen Konsens-Demokratie genug haben als vom Euro. Gegen den Euro - genauer: den Stabilitätspakt zu dessen Sicherung - haben die Rechtspopulisten auch nur einen Verbündeten: ausgerechnet die Sozialdemokraten, die aber schon ihre Koalitionsbereitschaft signalisiert haben. Doch auch zusammen haben beide gerade mal 38 Prozent und keine Mehrheit im finnischen Parlament, das den Stabilitätspakt absegnen muss. Und die Konservativen, die künftig den Premier stellen, stehen ebenso zur Gemeinschaftswährung wie die Oppositionsparteien Zentrum und Grüne. Die Mehrheit weiß, dass der Krisen-Tsunami vom Mittelmeer aus über den Atlantik irgendwann auch in die Ostsee schwappt, wenn die Gemeinschaft jetzt nicht zusammensteht. Schlimmstenfalls wird man sich also enthalten, wenn es um das 80-Milliarden-Rettungspaket für Portugal geht. Nein, rund 800000 rechtsgestrickte finnische Wähler sind nicht die kritische Masse, die zur Kernschmelze des Euro führen kann. Selbst wenn die Wahren Finnen den Premier stellen könnten, würde das nichts daran ändern, dass das kleine Land gerade einmal für 1,8 Prozent der Garantiesumme des Rettungsschirms einsteht. Wie sehr das die Hebelwirkung begrenzt, wird sich im Land der Pisa-Sieger jeder schnell ausrechnen können. Wie also umgehen mit dem finnischen Rechtspopulismus? Am besten genau so wie mit seinen zahlreichen Vorläufern in anderen europäischen Staaten: gelassen. Die Embargo-artigen Überreaktionen, mit denen man einst die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen in Österreich unnötig dramatisierte, wären jedenfalls eher ein Beitrag zur Verschärfung der Euro-Krise. Man sollte auf die Vernunft der finnischen Mehrheit setzen - und darauf, dass die Strategie "Entzaubern durch Umarmen" bislang noch allen Rechtspopulisten ihre pseudo-revolutionäre Attraktivität genommen hat. Das allein reicht freilich nicht. In der EU-Kommission wie im Europaparlament muss man endlich daran arbeiten, populistischen Euro-Skeptikern weniger Angriffsfläche zu bieten. Wenn in Frankreich erst der Front National mitregiert, ist es zu spät - und Panik doch noch angesagt. joerg-helge.wagner@weser-kurier.de
chda am 20. April 11
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